„Mein“ Karwendelmarsch
Eigentlich gibt es wohl nur ein gemeinsames Ziel, dass alle Teilnehmer des Karwendelmarschs vereint: Durchhalten bis ins Ziel. Sei dieses Ziel nach 52km am Achensee oder nach 30 Kilometern in der Eng, spielt kaum eine Rolle. Ansonsten ist ein solcher Marsch ein Phänomen: Die Diversität der Starter, der Motivationen, die Tempi lassen sich wohl kaum einschätzen.
Der Startbereich in Scharnitz in den frühen Morgenstunden ist für mich immer einer der faszinierendsten Plätze: Nervosität trifft auf Müdigkeit, pralle Muskelkraft und Kondition trifft auf unbeugsamen Durchhaltewillen. Dieses Jahr sollte es mein dritter Start bei diesem wunderbaren Marsch sein. Trainiert hatte ich die Jahre zuvor mehr, aber mein Kopf war dieses Jahr auch umso freier als in den vorherigen Jahren. Mit einem Kollegen startete ich gemeinsam ins Rennen: Wir trieben uns gegenseitig an und zügelten uns ebenso gegenseitig. Schon bevor der Kopf richtig wach wird, hat man dann das erste Etappenziel beim Karwendelhaus erreicht – spätestens ab hier ist man ohnehin von den Flanken des Karwendels magnetisiert. Es ist wohl eine ebenso große Herausforderung den Blick auf den holprigen Weg zu richten und nicht auf die berühmten Spitzen und Kare zu blicken. Ein Luxusproblem beim Kaiserwetter dieses Jahr, welches sich auch bis zur Falkenhütte nicht löste. Dazu kam, dass mein Kollege sein Tempo nicht mehr halten konnte ich einige Zeit auf ihn, ohne Erfolg, wartete.
Ab der Falkenhütte sollte also „unser“ Karwendelmarsch zu „meinem“ Karwendelmarsch werden. Doch je näher ich an den Achensee kam, desto mehr bekannte Gesichter begegneten mir auf dem Weg. Toll, wie viele Einheimische sich bei den Labestationen und einzelnen Wegabschnitten engagieren und immer wieder erneut motivieren. Wirklich frisch sind ab dem Gramaisattel dann doch die wenigsten Läufer – umso wichtiger sind ein paar lachende bekannte Gesichter, die einem klar machen, dass es „nur“ mehr Kopfsache ist, es bis ins Ziel zu schaffen. Sobald man das klare smaragdfarbene Wasser des Achensees in der Ferne blitzen sieht, laufen die Beine fast von selbst – unwahrscheinlich zu welcher Leistung zwei Beine und ein Kopf im Stande sind! Aber eines ist klar: „meinen“ Karwendelmarsch gibt es in Wirklichkeit nicht – vielmehr ist es eine unglaubliche Gruppendynamik, die dieses Event zu einem unvergesslichen Erlebnis machen!