Irgendwann ist es immer das erste Mal: Ultra

„Und – wie fühlst du dich als frisch gebackene Ultra-Läuferin?“ fragt mich ein Kumpel einen Tag nach dem Karwendelmarsch.
Gestern bin ich also 52 Kilometer gelaufen. Mit 2200 Höhenmetern. Mein erster Ultra. Zugleich auch erster Marathon, denn die längste Distanz, die ich bislang am Stück laufend auf den Beinen war betrug 35 Kilometer. Heute fühlt es sich schon an, als wäre der Lauf vor über einer Woche gewesen.
„Prima, alles bestens“, ich merke heute kaum die gestrige Anstrengung der Kilometer und Höhenmeter, die Muskeln sind fit und schmerzen gar nicht.
Geschuldet ist das wohl zum Großteil der guten Vorbereitung. Nicht superlange Strecken, aber oft mehrmals pro Woche 20, 25 Kilometer, und viele, viele Höhenmeter bin ich in den letzten gelaufen, hinauf gekraxelt, bin ich in technisch anspruchsvollem Downhill-Gelände wieder runter gerannt. Der körperlichen Vorbereitung verdanke ich also, dass ich heute ohne Muskelkater ganz normal durch die Gegend laufe.
Bei einer Distanz von 52 Kilometern – die vor wenigen Monaten für mich noch unglaublich lang und unvorstellbar weit erschien – kommt es nicht nur drauf an, wie fit die Beine sind.
Auf meinen wenigen Trail-Rennen, die ich seit diesem Frühjahr und Sommer mitgemacht habe, hab ich stets gemerkt: ganz viel entscheidet der Kopf: #glaubandich. Je länger die Distanz, desto mehr, denke ich mittlerweile.
Der Kopf muss erkennen, ob mein Körper an der Verpflegungsstelle eine Pause braucht, ob ich stehenbleibe oder nur einen Becher Wasser nehme und sofort weiterlaufe.
Der Kopf entscheidet, ob ich mir über ein Ziehen in der Hüfte Gedanken mache und dadurch langsamer und unmotivierter laufe oder es wie gestern nur an dem kalten Wind um 7:30 Uhr morgens auf dem Karwendelhaus lag und nach den ersten steileren Anstiegen und Downhills alles immer besser wurde. Weil mich solches Gelände so schön ablenkt. Je fordernder, desto besser.
Und der Kopf ist verantwortlich, den Körper zu bremsen, wenn im technisch schwierigen Downhill die Konzentration fehlt, schnell zu rennen. Was gestern aber nicht nötig war, denn ich hatte mir vorgenommen, das Rennen bei so einer langen Distanz gut einzuteilen und das ging super auf.
Einteilen bedeutete gestern für mich laufen wie „Traktor – PKW – Rennwagen“. Ein verhaltener Start wird mir schon von einigen „Marsch“-Teilnehmern leicht gemacht, die irgendwie doch vor mir auf die Strecke gestartet sind und die ich erstmal überholen muss. Der lange Forstweg durch Tal Richtung Karwendelhaus zieht sich. Langweilig für einen Trailläufer, der lieber flowige, steinige, technische Singletrails und Pfade liebt. Hier haben die Straßenläufer einen Vorteil. Aber nicht lang. Als der Weg endlich steiler wird und zum Karwendelhaus hoch anzieht, freu ich mich sehr über die Steigung – die endlich mal einen Abwechslung zu der langweiligen Forststraße bietet.

Dann kommt der erste Downhill – juhu – Leute überholen 😉 – und schon gehts über den kleinen Ahornboden auf einen schmaleren Weg, mit Fels, Schotter und bisschen Matsch rüber und hoch (yeah, schön steil!) zur Falkenhütte. Bergauf wieder Läufer einsammeln. Die schnaufen, mein Puls dagegen fühlt sich gerade nach GA1 an, ungelogen. Das Höhenmetertraining macht sich hier sehr bemerkbar. Viel Höhenmeter auch über 2000m bis 3000m in den letzten Wochen. Hilft.
Als ich die Eng (Ziel für die Kurzstrecke) passierte – die 35km-Marke, ab der für mich läuferisch Neuland beginnt, denke ich nicht einmal im Entferntesten daran aufzuhören. Läuft. Super. Und jetzt kommt ein „Spitzlstein“ – diesen Vergleich ziehen wir seit dem Bergmarathon Traunsee mit steilen, matschigen Anstiegen. Spitzlsteine liebe ich seitdem. „Auf gehts, richtig gut dabei!“, rufen mir die wenigen Wanderer und Bergwacht-Posten zu, die an diesem eher nebligen Tag an der Strecke stehen.
Ach ja, das Wetter – das hätte ich fast nicht bemerkt – es regnet gar nicht wie befürchtet. Volle Konzentration liegt auf der Strecke, auf dem Rennen, auf dem Untergrund, über den wir laufen – die Umgebung ist für mich gerade eher Nebensache. Im Training ist das natürlich anders. Da laufe ich, weil ich die Berge so liebe, die Aussicht, die grünen Hügel, die Gipfel und steinigen Grate, die Sonnenauf- oder untergänge weit weg von Stadt.
Es hat in der Nacht ordentlich geregnet  – daher nasser Boden, macht aber im eher gerölligen Karwendel nicht so viel aus. Da bin ich schon schlimmeres gelaufen. Bei schönem Wetter ist der Karwendelmarsch ein Lauf mit grandiosem Panorama. Heute sieht man kaum was. Fokus auf den Trail. Auch gut.

Die letzten Kilometer fliegen nur so dahin. So glücklich bin ich, dass ich mich nach 40, 44, 48 Kilometern noch so gut fühle. Das einzige Manko am Ende: drei Kilometer Asphalt. Nein, Asphalt mit den Schuhen – das macht eigentlich gar keinen Spaß und tut den jetzt doch schon relativ geforderten Knien auch nicht gut. Aber – schön auf einen guten Laufschritt konzentrieren, und so gehts auch flott ins Ziel.
6 Stunden 23 Minuten. Alles richtig gemacht, würde ich sagen. Stolz auf den 7. AK-Platz und den 18. Platz gesamt von 180 Frauen. Und ganz stolz auf die Art wie ich für dieses Rennen bis zum Ende meine Kraft eingeteilt hab, für jeden Downhill volle Konzentration hatte und mich von der Wettervorhersage auch nicht davon hab abhalten lassen überhaupt an den Start zu gehen.

Und dankbar. Für die Begleitung auf der Strecke – zusammen ist man weniger allein mit den Gedanken – dankbar für die Trail-Community, die solche Rennen einfach noch viel wertvoller macht, da es ein fröhliches Miteinander ist, man sich wieder trifft, über den einen den anderen kennt oder kennenlernt. Mit einander leidet (ein bisschen) und lacht (sehr viel). Und schon überlegt, was man als nächstes zusammen laufen könnte.

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